Der Aufsichtsrat hat sich unter anderem mit der Wirksamkeit des Risikomanagementsystems zu befassen. Insofern ergibt sich auch oder gerade im Kontext der Covid 19-Pandemie für die Unternehmen die interessante Fragestellung, ob das Risikomanagement wirksam war und ist, das Unternehmen also auf Covid 19 angemessen vorbereitet war und ob sich daraus etwaiger Handlungsbedarf für das Risikomanagement ergibt.
Theoretisch sollte es nur durch Covid 19 keine Konsequenzen auf das Risikomanagement geben. Warum auch? Risiken zu antizipieren, zu identifizieren und zu bewerten gilt bekanntermaßen bereits seit langer Zeit zu den wesentlichen Pflichtaufgaben der Aktiengesellschaften und vieler Unternehmen, bei denen diese Aktivität unabhängig von der Gesellschaftsform regulatorisch vorgeschrieben ist, etwa bei Banken und Versicherungen.
Auch bei Unternehmen, die dazu nicht explizit gesetzlich verpflichtet sind, zählt es doch zu den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns, sich über Risiken, die das Unternehmen, den Geschäftsverlauf und das Geschäftsmodell betreffen könnten, Gedanken zu machen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
War nun die Corona-Pandemie ein unvorhersehbares Ereignis? Wohl kaum, denn ähnlich gelagerte Fälle, wenn auch nicht in der Tragweite, gab es bereits in der jüngeren Geschichte. Zudem gab es in den letzten Jahren relevante Studien, die sich mit dem Pandemie-Risiko auseinandergesetzt haben. Insofern war das Risiko einer Pandemie bekannt. Fraglich ist jedoch, ob die Unternehmen eine Pandemie als Unternehmensrisiko identifiziert und bewertet haben und etwaige Notfallpläne existierten.
Wird dies das letzte Ereignis dieser Tragweite sein? Potenziell eher nicht. Das Pandemierisiko gehörte bislang, wie viele andere Risiken auch, zu den sogenannten Emerging Risks. Also Risiken, die in Zukunft auftauchen könnten bzw. bereits vorhanden sind und nur schwer zu quantifizieren sind sowie ein potenziell hohes Schadenausmaß haben. Auch hohe Unsicherheit prägt diese Risiken, da selbst Basisinformationen, mit Hilfe derer die Häufigkeit und Schweregrad des Schadeneintritts adäquat bewertet werden könnten, nicht oder nur unzureichend vorhanden sind.
Das Pandemierisiko gehört nun nicht mehr zu den Emerging Risks, da mittlerweile genügend Daten vorhanden sind, dieses Risiko für die Zukunft einzuschätzen. Bestimmt nicht auf den Punkt, jedoch in Bandbreiten mit Hilfe mathematischer Verfahren wie bspw. einer Monte-Carlo-Simulation. Unbenommen ist auch, dass es noch weitaus schlimmere Szenarien einer Pandemie geben kann, so dass es ratsam ist, mehrere Szenarien genauer zu analysieren, welche Konsequenzen ein solcher Risikoeintritt für das eigene Unternehmen haben könnte und welche Maßnahmen zur Risikominderung und Krisenbewältigung ergriffen werden könnten.
Es gibt jedoch wie bereits angedeutet noch weitere Emerging Risks, die nicht so unwahrscheinlich sind, einzutreten. Eine hilfreiche Lektüre hierbei ist die Veröffentlichung des „CRO Forum“, die jährlich das sogenannte „Major Trends and Emerging Risk Radar“ herausbringt. Hierbei werden wichtige Trends für den Versicherungssektor analysiert, welche zweifelsohne auch für viele weitere Branchen sehr relevant sein können. Als die wichtigsten Trends werden dabei „Altern und Gesundheit“, „Verbraucherverhalten und Digitalisierung“, „wirtschaftliche Instabilität“, „Urbanisierung und soziale Veränderung“, „Umgebung und Klima“, „Verschiebung geopolitischer Landschaft“ und „technologische Veränderung“ genannt. Die hier dargestellten Risiken sind für unterschiedliche Branchen und Unternehmen unterschiedlich von Bedeutung. Beispielhaft können hier „Blackout kritischer Infrastrukturen“, „Cyberrisiken“ oder auch „Digitale Fehlinformation“ genannt werden. Die Relevanz und mögliche Auswirkungen auf das eigene Unternehmen der dort genannten Risiken zu untersuchen, ist auf jeden Fall eine sinnvolle und gleichermaßen hilfreiche Übung. Jedoch auch abgesehen von den dort bereits aufgezeigten Risiken, lohnt es sich, bezogen auf die eigene Branche und das eigene Unternehmen zu reflektieren, welche zukünftig aufkommenden Trends bzw. Risiken das Unternehmen betreffen könnten. Ich würde so weit gehen zu sagen, dass dies in vielen Fällen zu mehr als nur einem Stirnrunzeln, sondern vielmehr zu Aktivitäten führen wird – zumindest, wenn die Übung ernsthaft betrieben wird.
Zu betrachten sind hierbei die Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen, also auf den Geschäftsbetrieb, Ressourcen, Geschäftsmodell, Lieferketten, Wertschöpfung etc. Die zu ergreifenden Maßnahmen können vielfältig sein wie beispielweise Absicherung, Diversifizierung im Geschäftsmodell, Neuordnung von Lieferketten, Anpassung des Auswahlprozesses von Lieferanten, Adjustierung von finanziellen Puffern, Etablierung / Überarbeitung von Katastrophenplänen etc.
Abschließend bin ich nicht der Auffassung, dass die Methode des Risikomanagements als Folge von Covid 19 an sich grundsätzlich überarbeitet werden müsste, sicherlich jedoch das operative Betreiben des Risikomanagements vieler Unternehmen. Die Tools sind vorhanden, sie müssen allerdings auch aktiv genutzt werden und die Unternehmensleitung muss die Erkenntnisse ernsthaft wissen wollen und bereit sein, daraus Konsequenzen abzuleiten. Hilfreich kann es sicherlich auch sein, einen Blick von außen zu erhalten und sich einen erfahrenen Experten als Impulsgeber und Sparringpartner an Bord zu holen.
Liebe LeserInnen, ich hoffe, dieser Beitrag ist für Sie hilfreich und gibt Ihnen wertvolle Impulse für Ihre nächste Aufsichtsratssitzung beim Thema Risikomanagement.
Haben Sie dazu Fragen, Anregungen oder Diskussionsbedarf? Sprechen Sie mich sehr gerne an.